Die christliche Taufe als Konversionstaufe
Exegetische und Praktisch-theologische Erwägungen
zur Taufe auf den Namen Jesu
Autor: Prof. Dr. Helge Stadelmann
Pastor Christuskirche, EFG Hohenahr-Erda
Professor für Praktische Theologie, FTH Gießen
Praktische Theologie hat die schöne Aufgabe, permanent zur Überprüfung und Erneuerung gängiger Praxis beizutragen. Sie ignoriert gängige Praxis nicht, nimmt sie vielmehr sorgfältig und reflektiert wahr. Doch weil sich die Praktische Theologie nicht einfach als Anwältin des Faktischen oder Gestalterin derTradition sieht, stellt sie das Gängige auf den Prüfstand. Als Prüfkriterien dafür kommen in erster Linie biblisch-theologische Maßstäbe, dann aber auch kontextuelle Überlegungen hinsichtlich angemessener Gestaltung in Betracht.
Eins der Handlungsfelder, das auf den Prüfstand gehört, ist die Gestaltung von Kasualien – womit sich für den Praktischen Theologen die Aufgabe stellt, auch über die Taufe als der Grundkasualie christlichen Lebens nachzudenken.(1)
1. Raum für die neutestamentliche Evidenz
Jedes Nachdenken über die Taufe muss die biblischen Grundlagen unverkürzt im Blick behalten. Wird die neutestamentliche Evidenz verzeichnet, verschiebt sich die maßgebliche Beurteilungsnorm.
1.1 Jedes Nachdenken über die Taufe muss die biblischen Grundlagen unverkürzt im Blick behalten. Wird die neutestamentliche Evidenz verzeichnet, verschiebt sich die maßgebliche Beurteilungsnorm. Verzeichnen beginnt nicht selten mit dem Verkürzen des exegetischen Sachverhalts. So hat Christian Grethlein – im Anschluss an Udo Schnelle – zwar zutreffend gesehen, dass die Taufe im gesamten Urchristentum als „Primärdatum christlicher Existenz“ gilt, und schreibt: „In der Taufe werden die Rechtfertigung und Heiligung (1. Kor 6,11), die Kindschaft Abrahams und damit dessen Segen (Gal 3,27-29) empfangen“.(2) Doch wenn es um Voraussetzungen der Taufe geht, weiß Grethlein nur zu berichten, dass neutestamentlich „keine besonderen Voraussetzungen für die Taufe bestehen. Den berichteten Taufen gehen unterschiedliche Ereignisse voraus: überzeugende Predigten (Apg 8,12). Schriftstudium mit Gespräch hierüber (Apg 8,30-35), allgemeine Glaubenskommunikation (Apg 16,14), Geistempfang, der sich in Zungenrede äußert (Apg 10,44-46), oder auch Audition mit anschließender Heilung (Apg 9,3-19).“(3) Grethlein verkürzt hier die neutestamentliche Evidenz insofern, als bei ihm die der Taufe vorangehende Buße und Annahme des Evangeliums im Glauben durch den Täufling (Apg 2,38-41 u.ö.) unberücksichtigt bleiben.(4) Die heilsobjektive Seite dessen, was Gottes Gnade schenkt, kommt so zwar ins Blickfeld; doch die heilssubjektiven Aspekte auf Seiten des Täuflings bleiben unterbetont. Mit dieser Verkürzung ändert sich dann aber zugleich die Gestaltung der Taufe und es kommt zu einer Praxis, die nicht mehr die des Neuen Testaments abbildet.
1.2 Dass es sich lohnt, die neutestamentliche Evidenz erneut unvoreingenommen in den Blick zu nehmen, zeigt in jüngerer Zeit eine Reihe von Arbeiten zur Taufthematik. Auch abseits eingefahrener konfessioneller Pfade unternehmen sie den Versuch, die exegetische und geschichtliche Evidenz zum Thema frisch zu erheben.
1. Dazu gehören die auf Jahre hin wegweisenden opera magna von Everett Ferguson zur Entwicklung der Taufe in den ersten fünf Jahrhunderten(5) und das mehrbändige, von David Hellholm u.a. herausgegebene Grundlagenwerk über rituelle Waschungen, Initiation und Taufe(6). Die vielfältigen Ergebnisse dieser Studien aufzugreifen, würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen.
2. Als ausgesprochen anregend erweist sich auch der kleine Sammelband zur Taufe, den Günter Ruddat als Dokumentation von Beiträgen einer interdisziplinären Studienwoche an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal herausgegeben hat.(7) Ein darin enthaltener Beitrag von Klaus Haacker soll unten gesondert gewürdigt werden. Hier sei (in Auswahl) auf folgende Erkenntnisse des Sammelbandes hingewiesen: Nachdem Hellmuth Zschoch (76-85) die Taufdebatten der Reformationszeit zwischen Altgläubigen und Luther sowie zwischen den verschiedenen Flügeln der Reformation gut dokumentiert nachgezeichnet hat, stellenzunächst die Dogmatiker Matthias Freudenberg (86-96) bzw. Johannes von Lüpke (97-108) die traditionelle calvinistische bzw. lutherische Tauflehre dar, wenngleich ohne erkennbaren Reformwillen. Doch dann öffnen zwei weitere theologiegeschichtliche Beiträge neue Horizonte.Regina Sommer (109-121) spürt wesentlichen Wandlungen in der Taufpraxis nach: a. Schon in der Antike zeige sich ein einschneidender Wandel im 4.-6. Jahrhundert im Gefolge der konstantinischen Wende, als veres zum Umschlag von der Erwachsenen- zur Kleinkindertaufe kommt, wodurch die Taufe „von einem Ritual der Lebenswende zu einem Ritual des Lebensanfangs“ mutiert (110); b. und heute zeichne sich insofern eine Wandlung ab, als empirische und qualitative Studien Tendenzen erkennen lassen, dass sich der Tauftermin vom nach wie vor vorherrschenden Paradigma der Säuglingstaufe zu späteren Zeitpunkten in der Biographie verschiebt und sich die gewünschten Taufformen zunehmend individualisieren (110ff). – Die katholische Theologieprofessorin Dorothea Sattler (129-146) versucht in sodann in einem bemerkenswerten Beitrag auszuloten, was im ökumenischen Dialog zwischen den Kinder taufenden Kirchen einerseits und den nur auf das Bekenntnis des Glaubens hin taufenden Kirchen andererseits erreicht ist und worin die Stärken und Schwächen der jeweiligen Positionen und die Chancen zu Annäherungen und möglichen Reformen bestehen. Sie kommt in Abwägung der langjährigen ökumenischen Diskurse zu dem Ergebnis, dass „eine Übereinstimmung in der Annahme [besteht], dass die Taufe von Erwachsenen das dem Neuen Testament angemessene Modell in der Nachfolge Jesu Christi ist“ (136). Die Erwachsenentaufe sei „das biblisch begründete, theologische Leitbild, von dem ausgehend alle weiteren Überlegungen anzustellen sind“ (ebd.). Sattler nennt zwar auch mehrere Argumente, die eine Kindertaufe rechtfertigen könnten, stellt aber die Frage, ob nicht doch eine Kindersegnung angemessener sei (139). Auf dem Weg dahin sei viel gewonnen, wenn in den Kinder taufenden Kirchen nicht unterschiedslos jeder getauft werde (142). Ergebnisse wie diese machen neugierig auf die neutestamentliche Evidenz der christlichen Taufe.
2. Die neutestamentliche Taufe als Konversionstaufe
„Die Taufe bewirkt nach Paulus nichts, sondern sie markiert nur rituell einen Einschnitt im Leben, der in der Partizipation am Schicksal Jesu in Tod und Auferstehung begründet ist“.
2.1 In dem Wuppertaler Sammelwerk profiliert Klaus Haacker(8) die neutestamentliche Taufe zunächst im Anschluss an Johannes den Täufer als Umkehrtaufe, als Eintritt in die Gemeinschaft der Jünger Jesu. Im Unterschied zur Johannestaufe porträtiert er die urchristliche Taufe dann aber auch a. als Ereignis, in dessen Zusammenhang der Geistempfang erfolgte – ein Zusammenhang, den Haacker hinsichtlich der späteren Säuglingstaufe nicht zu konstatieren vermag (53); b. als Ereignis, das mit dem Glauben an Jesus verbunden ist (53-54), und c. als Initiation eines Lebens in der Nachfolge Christi, die auf ein ethisch verändertes Leben zielt (54-57). Gegenüber jedem späteren Sakramentalismus konstatiert Haacker: „Die Taufe bewirkt nach Paulus nichts, sondern sie markiert nur rituell einen Einschnitt im Leben, der in der Partizipation am Schicksal Jesu in Tod und Auferstehung begründet ist“ (57). In Anknüpfung an diese Ergebnisse von Haacker sei vertiefend auf folgende Sachverhalte im frühjüdischen Kontext des Urchristentums hingewiesen:
2.1.1 Auch frühjüdische Tauchbäder (in fließendem Wasser oder einer Mikwe) hatten keine sakramentale Bedeutung in dem Sinne, dass die Waschung mit bloßem Vollzug des Ritus rituelle Reinheit bewirkt hätte. Der Gedanke, dass das Tauchbad als Vollzug einer religiösen Vorschrift ex opere operato rein mache, ist dem Frühjudentum fremd. Nur wer sich von gottlosen Wegen abkehrt und in den Bund Gottes eintritt, darf das rituelle Reinigungsbad vollziehen. So verlangt es die Gemeinderegel von Qumran: „Aber jeder, der sich weigert, einzutreten in den Bund Gottes, um in der Verstocktheit seines Herzens zu wandeln, soll nicht in die Gemeinschaft seiner Wahrheit kommen … Und nicht ist er gerecht, solange er die Verstocktheit seines Herzens gewähren lässt. Und Finsternis schaut er für Wege des Lichts, unter die Vollkommenen darf er nicht gerechnet werden. Nicht wird er entsühnt durch Sühnungen, und nicht darf er sich heiligen in Meereswasser oder Flüssen, und nicht darf er sich reinigen durch irgendein Wasser der Waschung. Unrein, unrein soll er sein alle Tage, da er verwirft die Satzungen Gottes“ (1QS 2,25f u. 3,3-6a).Das Realsymbol des Untertauchens im Wasser setzt das persönliche Sich-Demütigen unter die Weisung Gottes voraus – mit der Folge, dass es durch Gottes Geist bei der Waschung zu innerer Reinigung kommt: „Durch den Geist des wahrhaftigen Rates Gottes werden die Wege eines Mannes entsühnt … Und durch den heiligen Geist, der der Gemeinschaft in seiner Wahrheit gegeben ist, wird er gereinigt von allen seinen Sünden, und durch den Geist der Rechtschaffenheit und Demut wird Sünde gesühnt. Und wenn er seine Seele demütigt unter alle Gebote Gottes, wird sein Fleisch gereinigt werden, dass man ihn mit Reinigungswasser besprenge und dass er sich heilige durch Wasser der Reinheit“ (1QS 3,6b-9). So, wie in Qumran das Wasserbad die Bereitschaft zur Umkehr voraussetzt, ist es auch bei der von Johannes dem Täufer proklamierten Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden (Mk 1,4). Dies setzt sich in der christlichen Taufe fort.
2.1.2 Unterschiede zwischen dem Ritualbad in der Mikwe, der Johannestaufe und der christlichen Taufe zeigen sich vor allem in Folgendem: Bei der Taufe auf den Namen Jesu taucht sich der Täufling nicht mehr selbst unter, wie in der Mikwe, sondern lässt sich taufen; und die christliche Taufe wird nicht je nach Bedarf wiederholt, sondern ist als Zeichen des einmaligen Wechsels aus dem Machtbereich der Finsternis und der Verlorenheit in die Gotteskindschaft und des Eintritts in das Gottesreich einmalig.
Bei der Taufe auf den Namen Jesu taucht sich der Täufling nicht mehr selbst unter, wie in der Mikwe, sondern lässt sich taufen; und die christliche Taufe wird nicht je nach Bedarf wiederholt, sondern ist als Zeichen des einmaligen Wechsels aus dem Machtbereich der Finsternis und der Verlorenheit in die Gotteskindschaft und des Eintritts in das Gottesreich einmalig.
2.2 Auch Christian Stettler(9) knüpft in einem beachtlichen exegetischen Beitrag zunächst an der Konversionstaufe Johannes des Täufers an (24-26):Wie Elia ruft Johannes das Volk zur Umkehr; am Ort, an dem einst das Volk durch den Jordan ins verheißene Land einzog, vollzieht sich für die Bußfertigen jetzt die Erfüllung der Verheißung aus Hes 36,24ff, dass Gott sie erneut in sein Land (das Reich Gottes) bringt, sie mit reinem Wasser begießt, ihnen ein neues Herz gibt und seinen Geist schenken wird. Letzteres wird allerdings noch nicht mit der Johannestaufe realisiert, sondern erst mit Jesus, auf den der Täufer hinweist (Mt 3,11f). Entsprechend bleibt es nicht bei der Johannestaufe, sondern Jesusnachfolger werden auf den Namen Jesu getauft (Apg 19,1-7), werden von neuem geboren „durch Wasser und Geist“ (Joh 3,3+5). Die Taufe „auf den Namen Jesu“ bzw. „auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“(10) bleibt nicht auf Messiasgläubige aus Israel beschränkt, sondern gilt Jesus-Nachfolgern aus allen Völkern (Mt 28,19). Ausführlich untersucht Stettler (30-32) den Zusammenhang von Glaube, Taufe und Geistempfang in der Apostelgeschichte (Apg 2,38 u.ö.) und folgert: „Diejenigen, welche gerettet werden und zu Jesus gehören wollen, lassen sich sofort, noch am gleichen Tag, taufen; dann werden ihnen die Hände aufgelegt, und dabei empfangen sie den Heiligen Geist. Umkehr und Bekehrung, Glaube, Taufe, Rettung, Wiedergeburt und Geistempfang sind ein einziger Zusammenhang. [… Die] Taufe ist die direkte Antwort des Glaubens auf das gehörte Evangelium […] Die Taufe folgt also in dieser Frühzeit nicht irgendwann auf den Glauben, nachdem jemand schon länger zu Jesus gehört. Sie ist vielmehr der Beginn dieser Zugehörigkeit zu ihm.“ Die heilsgeschichtlich bedingten Sonderfälle, in denen Taufe und Geistempfang kurzzeitig auseinander treten (Apg 8 u. 10) werden als begründete Ausnahmen erklärt. – Auch bei Paulus sieht Stettler (32) den „unlösbaren Zusammenhang von Glaube, Taufe und Geistempfang“. Mit Bezug auf Gal 3,26-29, Röm 10,9, 1Kor 6,11 u. 12,13, Eph 5,26, Tit 3,5, Röm 6,3ff, Kol 2,12-14 u. 3,1 kommt er zu dem Ergebnis: „Auch bei Paulus bleibt die Taufe der Eintritt in die Basileia, der Ort der Bekehrung und Wiedergeburt, der Ort des Christwerdens, Gerettetwerdens etc. Buße, Glaube, Taufe und Geistempfang sind bei ihm wie bei der Urgemeinde vor und neben ihm ein unlösbares Ganzes. Es gibt kein Christwerden ohne Taufe. In der Taufe sind äußeres Zeichen und innerer Glaube eine einzige unteilbare Realität“ (33). Das neutestamentliche Muster der Taufe umfasse folgende Elemente: „Verkündigung des Evangeliums, Umkehr, Glaube, Anrufung des und Bekenntnis zu dem Messias Jesus als Herrn, Untertauchen im Wasser, Vergebung der Sünden und Rettung, Auflegen der Hände, Empfang des Heiligen Geistes, neues Leben, Eintritt in die Gemeinde als Volk der Gottesherrschaft, möglicherweise auch erstmalige Teilnahme an der Eucharistie“ (34).
Dem von Stettler herausgearbeiteten Befund, dass die neutestamentliche Taufe in den unmittelbaren Ereigniszusammenhang des zum-Glauben-Kommens und damit der Wende vom `alten´ zum `neuen Leben´ gehört, möchte ich ausdrücklich zustimmen und folgende Sachverhalte hervorheben:
2.2.1 Als Realsymbol der Umkehr erfolgte die Taufe unverzüglich im Ereigniszusammenhang der Konversion. Der Äthiopier wurde sofort getauft (Apg 8,35-38), nicht erst bei der nächsten Pilgerreise nach Jerusalem. Die Taufe des Gefängnisaufsehers von Philippi und seiner zum Glauben gekommenen Hausgenossen erfolgte – nicht erst am nächsten Sonntag, sondern – in derselben Nacht (Apg 16,33). Im Fall des Saulus, der nach seiner Christuserscheinung vor Damaskus in die Stadt geführt worden war und dort nun (anstelle der geplanten Verfolgung von Christen) betete, dauerte es drei Tage, bis der Christ Ananias von ihm hörte, ihn besuchte und taufte. Erst anschließend fand Paulus Zugang zur Gemeinde von Damaskus (Apg 9,9-19). Die Taufaufforderung „Und nun, was zögerst du? Steh auf, lass dich taufen und deine Sünden abwaschen, indem du seinen Namen [um Rettung, H.ST] anrufst“ (22,16, vgl.11ff), verdeutlicht den Charakter der Konversionstaufe. Taufen erfolgten nicht nach längeren Vorbereitungen in einem Gottesdienst, sondern möglichst sofort (- und mussten im übrigen auch nicht durch den geistlichen Leiter der Gemeinde vollzogen werden; vgl. 1 Kor 1,13ff). In früher nachapostolischer Zeit änderte sich das: zwar durften auch jetzt erst Getaufte an der Abendmahlsfeier der Christen teilnehmen (Did 9,5); aber der Taufe ging nun ein Katechumenat voraus (Did 7,1), in dem der Taufanwärter zumindest in der Zwei-Wege-Lehre unterwiesen wurde (Did 1-6). Diese Katechumenats Zeit verlängerte sich immer mehr.
2.2.2 Taufgelegenheiten zur alsbaldigen Taufe gab es überall. Es ist ein Fehlschluss, unter Hinweis auf die relative Wasserarmut Israels zu postulieren, dass im Ursprungsland des Christentums Taufen nicht einfach und allenfalls als Besprengungstaufe zu vollziehen waren, da es nicht genügend Wasser zum Untertauchen gegeben haben könne.(11) Wie Rabbi Simeon ben Eleazar berichtet (tShab 1,14), brach zur Zeit Hillels (+ 9 n.Chr.) „Reinheit in Israel ein“; d.h. rituelle Waschungen, wie sie für Priester vorgeschrieben waren, wurden nun unter pharisäischem Einfluss in den Synagogen für jeden Frommen üblich. In der Folge gab es verbreitetgroße Steingefäße für rituelle Waschungen überall da, wo Juden lebten(12). Zudem gab es zahlreiche Tauchbecken (Mikwaoth). Man hat rund 300 solcher gepflasterter Becken ausgegraben, bei denen Treppenstufen(13) ins Wasser führten: nicht nur im Jerusalemer Tempelbezirk (rund 40 solche Tauchbecken), in den Patrizierhäusern des Herodianerviertels der Heiligen Stadt, wo es teils mehrere in einem Haus gab, in den Hasmonäerpalästen von Jericho, den Palästen des Herodes und auf Masada, sondern auch in den Dörfern Judäas, Galiläas und der Diaspora.(14) Weil nach rabbinischer Auffassung rituelle Tauchbäder in fließendem Wasser erfolgen sollten, brachte man neben der Mikwe einen kleinen Behälter (ein Otzar) an, aus dem während der Handlung Wasser in das Tauchbecken floss.(15) Doch nicht nur die zahlreichen Tauchbecken boten Gelegenheit zu Taufen, sondern auch natürliche Gewässer.Laut der Didache wurde in fließendem oder auch stehendem, in kaltem,notfalls auch warmem Wasser getauft; bei Wassermangel konnte zur Not durch Übergießen des Täuflings getauft werden (Did 7,2). Zahlreiche Baptisterien der Frühzeit (häufig in Kreuzform) dokumentieren, dass bis ins 6. Jahrhundert das Taufen durch Untertauchen die Regel war – selbst im trockenen Negev, wie frühchristliche Tauch- bzw. Taufbecken in den Nabatäerstädten Avdat, Kurnub und Shivta zeigen.(16)
2.3 Lässt man sich auf die exegetische Erkenntnis ein, dass die neutestamentliche Taufe Konversionstaufe war, wird ein alter Streitpunkt zwischen Kinder taufenden Kirchen und Freikirchen, die auf das persönliche Bekenntnis des Glaubens hin taufen, gegenstandslos, nämlich der Streit darum, ob Gott in der Taufe der Handelnde sei oder der Mensch. Denn in der neutestamentlichen Konversionstaufe sind göttliches und menschliches Handeln komplementär verschränkt.(17) Kinder taufende Kirchen lassen den Glauben des Täuflings weithin unberücksichtigt(18) und betonen das Gnadenhandeln Gottes: Ohne dass der Mensch etwas dazutut, handelt Gott und schenkt dem Täufling Reinigung von seinen Sünden, ewiges Leben und Zugehörigkeit zu Christus und seiner Gemeinde. Dagegen stellen `täuferische´ Freikirchen im Zusammenhang der Taufe üblicherweise das Handeln des Menschen in den Vordergrund: nämlich seinen Glauben als Taufvoraussetzung und das Sich-Taufen-Lassen als Gehorsamsschritt (und damit ersten Akt christlicher Ethik). In der neutestamentlichen Umkehrtaufe findet sich aber eine Korrespondenz zwischen göttlichem und menschlichem Handeln. Die Taufe bezeichnet, was Gott in Antwort auf den Glauben an das Evangelium(19) real schenkt: Indem der bußfertige Sünder im Zusammenhang der Taufe den Namen des Herrn anruft, erfährt er durch Gott die Reinigung von seinen Sünden (Apg 22,16; Eph 5,26; vgl. Röm 10,13); das alte Leben ohne Gott wird begraben und der Gerechtfertigte aufersteht zu einem neuen Leben mit Christus (Röm 6,3-6), zieht Christus an (Gal 3,26f); wie bei der Beschneidung ein Stück Haut abgeschnitten wird, wird in der Taufe als „Christus-Beschneidung“ die vom sündigen `Fleisch´ geprägte frühere Existenz abgetrennt, das alte Leben ins Wassergrab versenkt und durch den Glauben die Auferstehung zu einem neuen Leben als Christ bewirkt, dem Kraft des Kreuzestodes Christi alle Sünden vergeben sind (Kol 2,11-14). All das bewirkt die Taufe nicht ex opere operato, sondern als Realsymbol(20) dessen, was Gott dem im Glauben an das Evangelium zu ihm Umkehrenden schenkt. Zugleich ist die Taufe Handeln des Menschen, der sich für das ihm im Wort zugesprochene Heilsgeschehen geöffnet hat: er bezeugt damit seine Annahme des Evangeliums und seine Umkehr zu Gott.(21)
Betrachtet man die gängige Taufpraxis, fällt auf, dass die einen zu früh, die anderen zu spät taufen.
3. Praktisch-theologische Konsequenzen
Betrachtet man die gängige Taufpraxis, fällt auf, dass die einen zu früh, die anderen zu spät taufen. Jede Partei mag dafür gute Gründe nennen, aber der neutestamentlichen Evidenz wird man so schwerlich gerecht. Die Maßgabe sollte sein, Schritte auf das biblische Vorbild hin zu unternehmen. Veränderungen wird man angesichts von teils Jahrhunderte alten Handlungstraditionen nicht in einem Sprung schaffen; dies würde Unverständnis und Unruhe in den Kirchen schaffen. Aber jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein richtiger Schritt.
3.1 Wollten sich die Kleinkinder taufenden Kirchen in Richtung auf die neutestamentliche Konversionstaufe hin reformieren, müssten sie die Frage nach dem persönlichen Glauben des Täuflings theologisch konsequent ernst nehmen. Dies wäre eine unangenehme Entscheidung, rekrutieren sich die Zahlen von Großkirchen doch gerade aus der in Kirchen- und Familientraditionen verwurzelten Praxis des Taufens als Lebensanfangsritual, ohne den Glauben des Neugeborenen zum Kriterium zu erheben. DieseKasualpraxis garantiert flächendeckend zugeschriebenes Christsein.(22) Regina Sommer hat, wie oben (1.2) erwähnt, darauf hingewiesen, dass im Rahmen der EKD die Kindertaufe zwar „nach wie vor das vorherrschende Modell ist. So lassen rund 81% aller Eltern evangelischen Glaubens in Ostdeutschland und 90% in Westdeutschland ihre Kinder als Säuglinge und Kleinkinder taufen“(23). Allerdings, Erwachsenentaufen „betragen in Ostdeutschland rund 17% und in Westdeutschland 9% der Gesamtzahl der Taufen“ (ebd., 111). Es lasse sich eine „allmähliche Verschiebung des Taufalters“ feststellen: „Getauft werden heute nicht nur Säuglinge, sondern zunehmend auch Kinder im Krabbelgruppen-, Kindergarten- und Schulalter bis hin zu Jugendlichen meist im Zusammenhang mit der bevorstehenden Konfirmation“ (ebd. 111, kursiv im Original). Bezeichnend ist, dass Günter Ruddat, der Herausgeber desSammelbandes zur Themenwoche `Taufe´ der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, abschließend einen Mustergottesdienst abdruckt, der die Taufe seines 4-jährigen Enkels dokumentiert. Der Enkel wollte, durch Kinderbibel und Kindergottesdienst motiviert, „ein Freund Jesu“werden, und wird nun im Rahmen seiner (Kinder-) Taufe gefragt: „Und da hast du mir gesagt, dass du auch ein Freund von Jesus sein willst. Und so frage ich dich jetzt noch einmal: Willst du ein Freund von Jesus sein? So wollen wir dich jetzt taufen …“.(24) Die Taufe erfolgt auf das kindliche Bekenntnis des Glaubens hin.
Schon 1995 hatte das von der Arnoldshainer Konferenz herausgegebene Buch Gottes Segen und die Segenshandlungen der Kirche auf die Möglichkeit hingewiesen, innerhalb der Evangelischen Landeskirchen Taufaufschub zu praktizieren und stattdessen die neugeborenen Kinder zu segnen.(25) Demgegenüber sieht Christian Grethlein die Gefahr, dass Kindersegnungen zu einer Verwechslung mit der Kindertaufe führen könnten und eine Abwertung der Taufe zur Folge hätten. Denn gerade christlich engagierte Eltern würden vielleicht ihre Kinder eher segnen als taufen lassen – während die nur traditionell mit der Kirche verbundenen Eltern ihre Babys zur Taufe brächten.(26) Doch kann dies nicht als Argument gegen die Kindersegnung gelten, zumal diese in der Praxis Jesu wohl begründet ist (Mk 10,13-16). Dass eine Segnung keine Taufe ist, könnte im Gespräch vermittelt werden. Und ein bewusst missionarischer Gemeindeaufbau könnte den Kindern einen Weg zum Glauben und damit zur Taufe hin eröffnen. Getauft werden würde der Mensch im Sinne der neutestamentlichen Konversionstaufe dann, wenn er – ob jünger oder älter – als vom Evangelium Angesprochener im Glauben die Taufe begehrt. Ein fixer Zeitpunkt – etwa im Konfirmationsalter – kann hierfür nicht festgelegt werden. Denn die Hinkehre zu Christus im Glauben vollzieht sich individuell unterschiedlich.(27) Wie immer der individuelle Weg der Konversion auch sein mag: wenn es zur Confessio des Glaubens an Jesus Christus als Herrn und Erlöser kommt, ist der richtige Zeitpunkt zur Taufe gekommen.
3.2 Wollten sich (Frei-) Kirchen, die nur auf das persönliche Bekenntnis des Glaubens hin taufen, anhand des Maßstabs der neutestamentlichen Konversionstaufe reformieren, müssten sie in den meisten Fällen deutlich früher taufen.(28) In der Regel finden die (späteren) Täuflinge im besten Fall Wochen, meist aber Monate oder gar Jahre vor ihrer Taufe zum Glauben. Alles, was die Taufe als Realsymbol der Umkehr zum Ausdruck bringt und sich in ihr ereignen soll, ist dann längst geschehen: man ist schon Kind und Eigentum des Herrn, auf dessen Namen man nun erst getauft wird; die Sünden sind durch den Glauben an den stellvertretenden Sühnetod Jesu längst abgewaschen, wenn das Taufwasser dies nun unvergesslich sinnenfällig vermitteln will; das alte Leben ohne Gott ist längst beendet und das neue Leben Realität, wenn das Begraben und Auferstehen mit Christus in der Taufe inszeniert und proklamiert wird; usw. Die Taufe wird so ihrer eigentlichen Inhalte beraubt. Nicht selten schrumpft ihre Bedeutung in Freikirchen so auf einen bloßen „Gehorsamsakt“. – Andere täuferische Gemeinden haben das umgekehrte Problem: Bei ihnen schwingt die Erinnerung nach, dass in der (neutestamentlichen Bekehrungs-) Taufe der Mensch zum `neuen Menschen´ wird, der mit Gottes Geist beschenkt ist, und so verheißen sie dem Täufling, dass er nun Glied am Leib Christi wird und bei der Handauflegung nach dem Taufakt den Heiligen Geist empfängt – Monate oder Jahre nachdem dieser zum Glauben gekommen ist!
Es gibt viele Gründe, zu spät zu taufen – etwa in der Geschichte begründete: Es hat so viel Streit um die Taufe in der Kirchengeschichte gegeben, dass man einen jung zum Glauben Gekommenen nicht mit diesem kontroversen Thema belasten will, zumal die seit 1.500 Jahren geübte Kindertauftradition kulturell so tief verankert ist, dass sich Neubekehrte im familiären Umfeld heftigen Fragen aussetzen, wenn sie die Glaubenstaufe begehren. Andere taufen zu spät, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass sich eine Hinkehre zu Glauben und Gemeinde auch als kurzlebig erweisen kann, weshalb sie vor der Taufe die Bewährung im Glauben oder die Fundierung im biblischer Lehre abwarten wollen. So wird die Taufe zur Reifeprüfung des Glaubens und verliert ihren biblischen Charakter als Heils-Zeichen der Lebenswende. Andere wiederum taufen aus pragmatischen Gründen zu spät. Man ist bestimmte gemeindliche Abläufe gewöhnt: es müssen erst mehrere Gespräche mit Gemeindeverantwortlichen und eine Mitgliederversammlung der Gemeinde stattfinden, um das Bekenntnis des Taufanwärters zu hören und zu prüfen; es sollen möglichst eine Reihe von Taufanwärtern zusammenkommen, bevor man ein geeignetes Datum für ein „Tauf-Fest“ terminiert; oder man hat überhaupt nur zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr eine Tauffeier. Und je mehr Zeit verstreicht, desto stärker verblassen die aussagekräftigen Zeichen der Taufe, weil das Bezeichnete in der Vergangenheit entschwindet.
Bei einer zu früh vollzogenen `Taufe´ stellt sich die im ökumenischen Gespräch notorisch schwierige Frage, ob es sich bei einem Ritual, das zuvor in guter Absicht, aber ohne den Glauben des Täuflings an Christus vollzogen wurde, tatsächlich um die biblische Taufe gehandelt habe – oder um eine Segenshandlung, durch die ein (kleiner) Mensch und sein Lebensweg der Gnade Gottes anbefohlen wurde. Die Frage ist: entscheidet sich die Identität einer Taufe am Gebrauch einer rite vollzogenen Formel oder an der inhaltlichen Korrespondenz zu dem, was nach dem Neuen Testament Taufe ist. -Auch umgekehrt kann man fragen: Ist eine zu spät vollzogene `Taufe´ noch Taufe im neutestamentlichen Sinn? Aus Sicht dieses Autors sollte der Charakter einer solchen Handlung als genuine Taufe nicht bestritten werden, wenn durch den Glauben an das Evangelium die Lebenswende zu Christus hin Realität wurde, auf die sich nun die Taufe (wenn auch spät und insofern unordentlich) in ihren Zeichenhandlungen bezieht.
Entscheidend für die Taufe ist nicht, wie früh oder spät im Leben es zur Umkehr zu Jesus kommt, sondern dass diese Umkehr im Glauben an ihn – in dieser oder jener Weise – erfolgt ist.
Ab welchem Alter darf ein Mensch getauft werden? Auch hier ist es notorisch schwierig, eine allgemein gültige Festlegung treffen zu wollen. Manche Vertreter der Glaubenstaufe verweisen darauf, dass eine mündige Glaubens- und Taufentscheidung erst möglich sei, wenn das Kind sich im Zuge der Pubertät so vom elterlichen Einfluss gelöst hat, dass es eigenständig zu urteilen vermag und auch rechtlich das Alter der Religionsmündigkeit erreicht hat.(29) Betrachtet man nicht die Taufe, sondern den Glauben als heilsnotwendig (Mk 16,16), wird es sich bei Kindern vor Vollendung des 14. Lebensjahres nahelegen, in Abwägung geistlicher Gesichtspunkte und der Pietät gegenüber dem Elternrecht dann für Taufaufschub zu plädieren, wenn die Eltern Einspruch gegen eine Taufe erheben. Andererseits, warum sollte man einem Kind die Taufe (und in der Folge vielleicht: das Abendmahl) verweigern, wenn es eine genuine Liebe zu Gott erkennen lässt, sich zu Jesus als seinem Erlöser bekennt und offenbar nicht nur eine äußerliche christliche Sozialisation aufweist?(30) Immer wieder bezeugen christliche Biographien(31), dass es früh zu einem Glauben kommen kann, der durchs ganze Leben trägt. Und im Licht der Aussagen von Jesus über die Kinder überrascht das auch nicht (Mt 19,14; 21,15ff; Lk 18,17; vgl. Apg 2,39; 2 Tim 3,15). Entscheidend für die Taufe ist nicht, wie früh oder spät im Leben es zur Umkehr zu Jesus kommt, sondern dass diese Umkehr im Glauben an ihn – in dieser oder jener Weise – erfolgt ist.
Zum Schluss: Stellen wir uns vor, in einer christlichen Jugendgruppe findet an einem evangelistisch gestalteten Themenabend ein junger Mensch zum Glauben. Das Leitungsteam hat den Pastor schon wiederholt darüber predigen hören, wie das Neue Testament Taufe versteht; öfters hat er mit ihnen darüber diskutiert. An diesem Sommerabend wollen die Jugendlichen umsetzen, was er ihnen erklärt hat. Nach der Jugendstunde fahren sie zum nahegelegenen See, rufen von unterwegs noch den Pastor an, erzählen ihm von der Lebenswende ihres Freundes. Er ermutigt sie, ihn zu taufen – kommt überraschend sogar noch dazu. Der Getaufte wird diesen Abend nie wieder vergessen. Am nächsten Sonntag bezeugt er im Gottesdienst, was er erlebt hat. Und die Freude im Himmel über den Sünder, der Buße getan hat, findet nun ihr Echo in der Gemeinde. – Könnte Taufe auch so gehen, wenn es nach dem Neuen Testament geht?
(1) Dass die Taufe als „christliches Initiationsritual“ die grundlegende Kasualie ist, auf die sich alle anderen Kasualien beziehen, hat Christian Grethlein zu Recht betont; Grethlein, Grundinformation Kasualien, 99-152.
(2) Grethlein, ebd., 103; mit Bezug auf Schnelle, Taufe II, 663.
(3) Ebd., 102.
(4) Dass vom Neuen Testament her die Begründung christlicher Existenz nicht ohne den persönlichen rechtfertigenden Glauben denkbar ist, gehört eigentlich zu den Grunderkenntnissen der Reformation. Doch schon in der Confessio Augustana stehen als notae ecclesiae nur das verkündigte Wort und das gespendete Sakrament – recht dargeboten – im Fokus (CA VII). Nun ist sicher richtig, dass sich wahre Kirche an der Wahrheit ihrer Grundlagen bemisst. Aber wenn wahre Kirche wirklich werden soll, muss ein drittes Kennzeichen hinzukommen, nämlich das Bekenntnis des Glaubens in (geistgewirkter) Reaktion auf die Evangeliumsverkündigung und im Vollzug der Sakramente. Darauf hat Swarat, Notae ecclesiae, 169-190, in einem bemerkenswerten Artikel hingewiesen: Kennzeichen der wahren Kirche, die wirklich wird, sind das verkündigte Wort, die einsetzungsgemäß gebrauchten Sakramente – und das Bekenntnis des Glaubens, der das verkündigte und das sichtbare Wort empfängt. (Damit die wirkliche den Bezug auf die wahre Kirche nicht verliert, wird sie zudem nicht auf Gemeindezucht verzichten können, die zur Buße und neuem Empfangen im Glauben führt).
(5) Ferguson, Baptism in the Early Church, 2009.
(6) Hellholm u.a., Ablution, Initiation, and Baptism, 3 Bde, 2011.
(7) Ruddat, Taufe – Zeichen des Lebens, 2013.
(8) Haacker, Was war Taufe im Urchristentum?, 2013, 47-59.
(9) Stettler, Die Taufe im Neuen Testament – und heute, 2015, 24-41.
(10) Stettler, 28-29, geht auf die beiden Taufformeln näher ein. Er weist darauf hin, dass in der Didache (7,1+3; 9,5) die eingliedrige und die dreigliedrige Taufformel neben einander bestehen, während sich im Zusatz des westlichen Textes zu Apg 8,37 eine eingliedrige Frage und Antwort finden. Stettler vermutet, 29: „Vielleicht fand die eingliedrige Frage eher bei der Mission unter Juden und Gottesfürchtigen Anwendung, während bei der Taufe von Heiden die Abkehr von den Götzen und die Hinwendung zum einen wahren Gott Israels eine wichtige Rolle spielte“.
(11) So noch Lüscher, Großtaufe oder Kindertaufe.
(12) Deines, Jüdische Steingefäße, 1993, 4ff.17. 96. 140. 166ff.197. 244.
(13) Die – meist sieben – Treppenstufen waren in der Mitte durch eine kleine Mauer geteilt. Auf der einen Seite ging der Mensch als Unreiner ins Wasser, tauchte sich mit der Bitte zu Gott um Reinigung unter und ging auf der anderen Seite des Mäuerchens als Gereinigter aus dem Wasserbad. Bei den Ausgrabungen an der Südwestmauer des Jerusalemer Tempelareals, aber auch in Qumran, finden sich zahlreiche solche Mikwaoth mit geteilten Stufen. Siehe Abbildungen in LaSor, Discovering What Jewish Miqva`oth Can Tell Us, 1987, 53.56.58.
(14) Ben-Dov, Shadow of the Temple, 1985, 150ff; Avigad, Herodian Quarter, 1991, 19f; Netzer, Die Paläste, 1999, 9ff.25.28.30-33.64.79.103.107; Reich, Mikveh Debate, 1993, 52. Vgl. Stadelmann, Ephesians 5:26, 2006, 403-407.
(15) Siehe Abbildung in LaSor, Discovering What Jewish Miqva`oth Can Tell Us, 55.
(16) Siehe die vielen Beispiele bei Ristow, Frühchristliche Baptisterien, 1998.
(17) Dieses komplementäre Ineinander von göttlichem und menschlichem Handeln wird exegetisch detailliert herausgearbeitet von Gebauer, Taufe und Ekklesiologie, 1998, 152-162.
(18) Luther, etwa, betont durchgängig das göttliche Gebot zum Taufen von Säuglingen und das göttliche Handeln in der Taufe, will aber den Glauben des Menschen, der die Taufe empfängt, nicht völlig übergehen (– zumal sonst zu Recht gefragt werden könnte, ob es denn nun eine Rechtfertigung des Sünders auch ohne Glauben gibt). So behilft er sich 1526 in seinem Taufbüchlein mit der Konstruktion des stellvertretenden Glaubens der Paten. 1528 postuliert er, dass auch der ungeborene Embryo schon glauben könne, was das Hüpfen Johannes des Täufers im Mutterleibe beim Besuch Marias, Lk 1,41, beweise (W.A. 26,156,18). Im Großen Katechismus, 1529, erklärt er dann, es sei nicht entscheidend, ob der Täufling glaubt oder nicht, denn dadurch werde die Taufe nicht unrecht, „sondern an Gottes Wort und Gebot liegt alles […] Wenn das Wort bei dem Wasser ist, so ist die Taufe recht, ob schon der Glaube nicht dazu kommt“ (W.A. 30 I,218,24; 220,1). „Das Kind tragen wir herzu (in) der Meinung und Hoffnung, dass es glaube, und bitten, dass ihm Gott den Glauben gebe, aber darauf taufen wir nicht, sondern allein darauf, dass Gott befohlen hat“ (30 I, 219,12.14). – Dass, neutestamentlich betrachtet, ein göttlicher Befehl zur Taufe von Babys als ein argumentum e silentio gelten muss, sieht die Exegese heute deutlicher, als zu Luthers Zeiten.
(19) Swarat,Taufe ein Sakrament?, ²2010, 119, betont zu Recht „die responsorische, Wort und Antwort verbindende Struktur der Vermittlung von Gott und Mensch“. Durch das Evangelium befreit Gott den Sünder dazu, glauben zu können und ermöglicht und schenkt ihm so den Glauben als Frucht des Geistes (Röm 10,13-17; Apg2,37ff; 16,14f; Gal 5,22; Phil 1,29). Im Glaubensgehorsam wendet sich der Mensch hin zu Gott und vollzieht in der Taufe die Umkehr (Röm 1,5 [vgl. 10,16; Lk 7,30]; Apg 2,38). Bekehrung ist komplementär Geschenk Gottes (Jer 31,18; Klgl 5,21; Apg 11,18) und Akt des Menschen, zu dem er aufgerufen wird; vgl. Burkhardt, Lehre von der Bekehrung, ²1985, 15ff.36ff.52ff, der mit der lutherischen Konkordienformel (FC, SD II, S. 898,37) vom arbitrium liberatum des durch das Evangelium getroffenen Sünders spricht, den Gott zur Umkehr frei macht.
(20) Im Realsymbol ereignet sich eine Koinzidenz von Zeichen (signum) und Bezeichnetem (significatum). Diese Koinzidenz darf nun nicht kausal überhöht werden, als würde die Taufe als solche bewirken, was sie bezeichnet; vgl. Bieritz, Liturgik, 2004, 646: „Für die frühe Christenheit bezeichnet und bewirkt die Taufe – als endzeitliches Heils-Zeichen der Umkehr und der Wiedergeburt – die Vergebung der Sünden, die Versöhnung mit Gott und die Eingliederung in die Gemeinschaft des Leibes Christi“. Richtig ist, dass die Taufe Heilsgüter bezeichnet, die Gott dem im Glauben Umkehrenden (nicht: durch die, sondern: in der Konversionstaufe) schenkt. In diesem Sinne wäre die folgende Aussage von Bieritz zu korrigieren.
(21) Vgl. dazu das komplementäre Sakramentsverständnis von Calvin. Nach ihm ist ein Sakrament „ein mit einem äußeren Zeichen bekräftigtes Zeugnis der göttlichen Gnade gegen uns, bei dem zugleich auf der anderen Seite eine Bezeugung unserer Frömmigkeit Gott gegenüber stattfindet“; Institutio IV,14,1.
(22) Noch immer aktuell erscheint da die Klage von Rudolf Bohren: „Wir bescheinigen fortwährend, und zwar an allen entscheidenden Punkten des Lebens, dem Menschen seine Christlichkeit und Kirchlichkeit und dispensieren ihn damit vom Kerygma, von der Koinonia und von der Diakonia der Kirche […] Wer amtshändlerisch sich bedienen lässt, liegt richtig: denn er wächst christlich auf, heiratet christlich und liegt endlich christlich im Grabe. Der Ritus macht den Christen. Indem er sich dem Vollzug der Amtshandlungen unterzieht, ist er ex opereoperato Christ. Die Mechanik der Amtshandlungen produziert fortlaufend Christen, die ohne Christus leben. Die Amtshandlungen bauen und erhalten eine fiktive Kirche.“ Bohren, Unsere Kasualpraxis, ³1968, 24f.
(23) Sommer, Was Taufe bedeutet, 2013, 110.
(24) Ruddat, Du sollst ein Segen sein, 2013, 191; vgl. 180.
(25) Theol. Ausschuss der Arnoldshainer Konferenz, Hrg., Gottes Segen, 1995, 64-68.
(26) Grethlein, Grundinformation Kasualien, 2007, 150ff.
(27) Wie die Ergebnisse der Greifswalder Konversionsforschung zeigen, lassen sich unterschiedliche Bekehrungstypologien erkennen: als Vergewisserung bei kirchlich immer schon sozialisierten Menschen; als Entdeckung des Evangeliums durch zugehörige Kirchenferne; oder als Lebenswende bisher Konfessionsloser; vgl. Zimmermann/ Schröder, Hrg., Wie finden Erwachsene zum Glauben?, 2010, 30, sowie die vertiefenden Beiträge in Reppenhagen, Konversion, 2012.
(28) Die Praxis der `kirchlichen´ Mennoniten, traditionell ganze Jahrgänge im Alter von 18 Jahren zu taufen, kann hier unberücksichtigt bleiben. Glaube und Konversion lassen sich nicht auf diese Weise terminieren.
(29) Swarat, Ein freies und mündiges Bekenntnis, ²2010, 123-125.
(30) Vgl. dazu die umfassende und viele Aspekte bedenkende Studie von Mergler, Die Rolle des Kindes, 2007.
(31) Seiler, Frühe Schicksale des Glaubens, 1996, 70-95.
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